Wie ich seit Tagen feststellen muss ist, dass viele von euch meine Geschichte gar nicht so richtig kennen. Nicht weil ich sie nicht erzählen wollte, doch fällt es mir immer noch nicht sehr leicht darüber zu schreiben / zu sprechen da die Vorurteile sehr groß sind!
Ich werde es versuchen.
Ich werde versuchen euch zu erzählen, wie alles begann.
Es ist nicht immer einfach, nicht immer Friedefreudeeierkuchen, schon gar nicht, wenn ich beinahe täglich mit Vorurteilen zu kämpfen habe. Privat würde mich das gar nicht mal so sehr stören, denn ich weiß wer ich bin, woher ich komme, was ich kann und wo ich hingehöre, doch beruflich?
Ja beruflich nimmt mich das sehr mit, denn sobald ich erwähne, z.B. warum ich mich selbstständig gemacht habe, wenden sich die meisten ab.
Doch nun kurz zu meiner Vorgeschichte:
Alles begann 2002. Es war das Jahr, indem es für mich große Veränderungen gab. Zwar keine seelischen, aber räumliche. Ich zog allein ins Studentenwohnheim nach Furtwangen.
Doch der wichtigste Schritt war, dass ich nicht mehr mit meinem Vater unter einem Dach leben musste. Ihr fragt euch was er mit meiner Geschichte, mit meiner Diagnose und meinem „Verlauf“ zu tun hat?
Nun er war gewalttätig, prägte mein Leben ins unermessliche.
Mitte des Jahres 2002 machte ich mein Schulabschluss und hatte nun weniger als 2 Wochen, um mich für ein Studium zu bewerben! Warum nur zwei Wochen? Es war nicht geplant, dass ich studiere, doch leider bekamen wir (meine Mutter und ich, Vater natürlich nicht!) Mitte Juli die Ausweisung aus Deutschland. Wir hatten bis zum 31.07., um das Land freiwillig zu verlassen, sonst würden wir abgeschoben werden!
Dann hieß es, wenn ich eine weiterführende Ausbildung mache, könnte ich in Deutschland bleiben. So hatte ich nur eine Möglichkeit, ich musste schnell eine Entscheidung treffen, die war mich für einen Studienplatz zu bewerben da, wo ich wohnte.
Warum da wo ich wohnte?
Auf der Duldung (war das einzige Dokument, welches ich besaß) war ich mit dem Wohnsitz beschränkt und konnte mich so, nicht frei Schnauze wo ich wollte mich bewerben. Zum Glück hatte es in Furtwangen an der FH geklappt und wurde angenommen.
Leider hatte ich von Informatik überhaupt keine Ahnung, was mich dann zusätzlich unter Strom legte, mehr unter Druck setzte. Ungefähr ab September 2002 fingen auch meine Multiple Sklerose Symptome an. Wobei ich sagen muss, dass ich zu dem damaligen Zeitpunkt gar nicht wusste, dass es diese Krankheit gibt. Mir fing nur ab da gesundheitlich nicht mehr so gut zu gehen. So wusste ich nicht genau welche Symptome das waren, konnte sie nicht bei Namen nennen, ich spürte nur, das mit mir etwas nicht stimmte.
So hatte ich in den Anfängen meines Studiums unendlich starke Kopfschmerzen, die so unerträglichwaren, dass sich mein damaliger Freund wirkliche Sorgen um mich gemacht hatte. Krankenhausgängewaren nicht wirklich eine Seltenheit. Und zu meiner Traurigkeit konnte oder wollte sich damals nicht wirklich jemand mit meinem Fall auseinandersetzen.
Also habe ich weitergemacht als wäre nichts. Haja und nachdem ich dann in Technische Informatik mein Vordiplom mit einer glatten 5,0 abgeschlossen hatte (ich möchte nicht erwähnt haben, dass ich bis heute den Rekord halte), musste es irgendwie weitergehen.
Doch wie?
Da meine Zukunft davon abhing, musste ich weitermachen und wechselte zu Wirtschaftsinformatik. Zu meiner Erleichterung funktionierte das sehr gut und fing sogar an mir Spaß zu machen so fand ich langsam gefallen an der Informatik, ich verstand nun endlich auch was ich tat. So haben sich die 3 Semester Übung zuvor, gelohnt und die unzähligen Nachtschichten. Ich konnte also beruhigt behaupten, je schlauer ich wurde, desto mehr konnte ich innerlich entspannen. Was dazu führte, dass ich es mir körperlich immer schlechter ging.
Jaaaa diese Logik wieder…
Bis 2008 – bis zu meinem Abschluss – dachte ich mir mit meinen Beschwerden nichts dabei. Machte weiter als sei nichts, wobei ich auch ehrlich zugeben musste, dass ich es geschafft hatte bis zum 22.04.2008 ganze 60 Zigaretten am Tag zu rauchen. Jaaaa, fragt mich nicht wo diese viele Stängel reingepasst haben, doch sie taten es. Ab dem 23.04.2008 war ich dann Nichtraucherin, bis heute.
Ab Oktober 2008 begann ich ein Masterstudium in „Bioinformatik und Systembiologie“. Was aber nicht lange hielt, da er neu umstrukturiert werden musste, weil wir nur ganze 2 Studenten waren. 2008 wohnte ich auch in einer Frauen-WG, die mir den letzten Nerv raubte. Es wurde schon früh morgens gesoffen, abends kamen irgendwelche Männer zum Kiffen und sonstiges vorbei, da war bei mir nichts mehr mit lernen, ausruhen oder entspannen.
Wenn ich dann noch bis 22 Uhr Vorlesungen hatte, tja dann konnte gut sein, dass in mein Bett schon jemand anderen lag und pennte. Ich brauchte Ruhe, alleine nur mit Duldung war es schwer in Freiburg damals eine Wohnung zu bekommen, so war ich darauf angewiesen, mit anderen zusammen zu wohnen.
Bis Anfang 2009. Da traf ich Rüdiger wieder.
Wieder?
Ja wir studierten an derselben Fachhochschule in Furtwangen. Wir waren nur damals beide mit jemand anderem liiert. Wir waren/sind beide „schwierig“, was uns aber nicht davon abgehalten hatte uns nach nur 3 Monaten das Jawort zu geben. Ihr habt es richtig gehört, NUR 3 Monate. Also waren wir am 15.Mai 2009 schon Mann und Frau.
Ab September 2009 begann für mich eine sehr harte Zeit!
Eines Morgens wachte ich auf und spürte mein rechtes Bein nicht mehr. Die erste Aussage vom Rüdiger war „Hast dich bestimmt verlegen, irgendwo ein Nerv eingeklemmt!“ Genau als diesen habe ich es betrachtet und ging ganz normal arbeiten. Zwei Tage später war mein Bein nicht nur komplett taub, sondern komplett gelähmt.
Ich habe nichts mehr gespürt.
Konnte ihn nicht mehr bewegen.
Nichts ging mehr.
Die Panik und Angst waren groß.
Also gingen wir ins Krankenhaus.
Ich wollte mich durchchecken lassen.
Sie machten kein MRT, nur eine komische Strom Messung.
Entlassen wurde ich mit einer Überweisung in die Psychiatrischen Ambulanz!
Dabei war mein Kopf intakt, mein Bein aber nicht, aber ok.
Also fuhren wir nach Hause.
Ich hatte gehofft, dass es irgendwann wieder vorbei geht.
Doch das tat es nicht, also suchte ich mir den besten Physiotherapeuten. Eine wunderbare Frau. Bis heute behandelt sie mich. Sie kennt mich besser als wahrscheinlich ich mich selber. Ein Blick reicht, ein Handgriff und sie weiß was mir fehlt.
So schickte sie mich zum Neurologen, da sie der Meinung war, es eine Neuralgie was ich hatte, also eine Schädigung der Nervenbahnen. Doch langsam ging es mit der Lähmung, es vergingen insgesamt 7 Monate bis es sich komplett zurückgebildet hatte. So hatte ich bis Anfang 2011 Ruhe.
Februar 2011 war es dann soweit und ich bekam meinen 2ten Schub, ein schwerer, der schwerste, der letzte, der alles verändernde Schub.
Ich war auf der linken Körperseitenhälfte komplett gelähmt.
Hatte unbeschreiblich starke Schmerzen.
Mein Becken hatte ich nicht gespürt.
Jeder Gang ins Bad war eine Tortur.
Ich hatte mich geschämt.
Mich geschämt nichts mehr zu spüren.
Mich dafür geschämt, nicht zu wissen wann ich fertig bin,
muss ich noch oder bin ich dann soweit.
Mein Mann musste mir mein Schuh zubinden, weil ich mich ab Hüfte abwärts nicht bewegen konnte.
Die unerträglichen Schmerzen!
Diese unerträglich schlimmen Schmerzen!
Meine Welt stand still!
Alles war anders, nichts wie es war!
Diese Hilflosigkeit
Ich war wütend!
Ich war traurig!
Dann doch positiv gestimmt, denn wird bestimmt nichts Schlimmes sein.
Nach langen, vielen Untersuchungen, von MRT über Liquor, Blut und vieles mehr, dann endlich die Gewissheit!
Am 03.Mai.2011 erhielt ich die Diagnose:
– Multiple Sklerose –
Ich hatte wie ein Kind bitterlich geweint!
Hatte vor Erleichterung geweint, schließlich war es nicht tödlich!
Meine Pläne sind mit einem einzigen Moment, geplatzt!
Mein ganzes Leben musste ich von nun an umkrempeln, umdisponieren, schauen was noch geht!
Ich hatte viele Dinge ausprobiert!
Wollte NIE stillstehen, nur um nicht verrückt zu werden!
So musste ich mich an meiner Multiple Sklerose anpassen.
Denn es galt für mich herauszufinden wie sie funktionierte,
was sie will,
was sie mag,
was sie stört.
Bedeutete für mich, dass mich mit der Zeit die Menschen nicht mehr ernst genommen haben, weil sie dachten, ich wäre nicht mehr tragbar, man würde mit mir nicht mehr zusammenarbeiten können, denn schließlich war ich entweder – behindert – oder – einfach nur ein faules Stück –!
Dem war es nicht so!
Diese Unsicherheit ob eine Programmiererin auch mit Multiple Sklerose ein paar Zeilen Code hinbekommt oder nicht, ja die nagte an mir, doch beides gehören zu mir – mein Beruf genauso wie meine Erkrankung!
Nicht immer leicht!
Immer eine Herausforderung!
Doch IMMER nur ich!